Regensburg

Pressespiegel

Süddeutsche Zeitung, Montag 17. Mai 2004
Ursula Bortot   -Bayernredaktion-

Polizei stoppt Kunstaktion

Zwei Münchner scheitern mit ihrem Protest gegen die diskriminierende "Judensau" am Regensburger Dom

Kommt und sehet – mit diesem Johannes-Wort auf Transparenten lockte das Regensburger Bistum am Sonntag die Gläubigen in den Dom. Und all jene, die kamen, sahen vor dem Südportal des imposanten Gotteshauses zwei Herren mittleren Alters mit umgehängten Tafeln, auf denen groß das Wort "Judensau" prangte. Genau so wird eine alte Steinplastik bezeichnet, die in fünf Metern Höhe an der Fassade des Doms befestigt ist und auf jene unheiligen Zeiten verweist, da die katholische Kirche Juden auf das Übelste verunglimpfte.

Unter einem steinernen Schwein sind drei menschliche Gestalten zu sehen, die an den Zitzen des Tieres saugen. Den Juden gilt das Schwein als Inbegriff des Unreinen. Vor gut 670 Jahren, als die "Judensau" am Regensburger Dom angebracht worden war, sollte sie den gleich ums Eck wohnenden Bewohnern des jüdischen Viertels mit größter Häme klar machen, was die Mächtigen in der Stadt von ihnen hielten.

Seit gut zehn Jahren überlegen die Verantwortlichen im bischöflichen Ordinariat, wie sie mit dem immer wieder geäußerten Protest gegen die Juden-Verunglimpfung umgehen sollen – geschehen ist nichts. Um Bewegung in die leidige Sache zu bringen, forderten am Sonntag die beiden Münchner Künstler Wolfram Kastner und Günter Wangerin das Anbringen einer Tafel, auf der erklärt werden soll, warum die katholische Kirche dereinst Juden mit einer Steinplastik beleidigte. Auch Worte des Bedauerns, so meinen die Beiden, seien durchaus angebracht. So standen sie vor dem Dom, verteilten Flugblätter an Kirchgänger und Passanten, und als sie mit weißer Dispersionsfarbe das Wort "Judensau" aufs Pflaster am Südportal malen wollten, schritten zwei Polizisten ein. Sie stellten Farbe und Pinsel sicher – "wegen versuchter Sachbeschädigung". Alles weitere werde der Staatsanwalt entscheiden. Vertreter des Ordinariats waren übrigens nicht zugegen. Die bischöfliche Pressestelle reagierte mit einer knappen Erklärung des Dompropstes und Generalvikars Wilhelm Gegenfurtner: Das Bistum habe die Steinplastik "nicht zu verantworten", das Anbringen einer erläuternden Tafel sei "kontraproduktiv", und überhaupt gehöre der Dom dem Staat. Der könne die Skulptur "jederzeit beseitigen". An der fränkischen Cadolzburg, wo Kastner und Wangerin auch schon gegen die dortige "Judensau" protestiert hatten, brachte das Finanzministerium jetzt immerhin eine Tafel an.

Rolf Thym




Greenpeace Magazin online, Freitag, 3. September 2004

Künstler kämpfen für Erklärungstafeln an «Judensau»-Reliefs

Regensburg/München (dpa) - In Regensburg kamen sie nur bis zum «J», dann schritt die Polizei ein. Das Wort «Judensau» wollten zwei Münchner Aktionskünstler eigentlich auf das Pflaster vor dem Dom pinseln, um so auf eine antisemitische Skulptur an der Kathedrale aufmerksam zu machen. Seit dem Mittelalter ist dort ein steinernes Schwein zu sehen, an dessen Zitzen Juden saugen. Ähnliche diskriminierende «Judensau»-Darstellungen gibt es an mehr als 20 weiteren Kirchen und öffentlichen Gebäuden in Deutschland.

Eine «antisemitische Schweinerei» ist das, findet Wolfram Kastner. Er und sein Kollege Günter Wangerin vom Münchner «Institut für Kunst und Forschung» kämpfen seit drei Jahren dafür, dass an den jeweiligen Gebäuden Tafeln mit Erklärungen und Worten des Bedauerns angebracht werden. Doch bis jetzt sei dies nur an drei Orten geschehen. «Ich verstehe nicht, warum sich die Verantwortlichen der Kirchen auch nach Jahrhunderten nicht davon distanzieren», sagt Kastner.

Das verhöhnende Motiv mit dem intimen Miteinander von Mensch und Tier verletze religiöse Gefühle in besonderer Weise. Denn das Schwein ist für Juden nicht koscher. «Bei Judenverfolgungen zwang man Juden immer wieder dazu Schweinefleisch zu essen», erklärt der Theologe Oliver Gußmann, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat.

Das rassistische Motiv zieht sich bereits durch Jahrhunderte. Auch Martin Luther schürte in seinen Predigten mit der «Judensau»- Metaphorik den Hass gegen die Andersgläubigen. So ist auch eine der bekanntesten «Judensau»-Darstellungen an der Stadtkirche von Wittenberg zu sehen.

«Das wirkt alles weiter bis heute», sagt Kastner. «Zwar weiß kaum jemand etwas zur Herkunft, aber das Wort kennt jeder.» Heute benutzen Neonazis den «Judensau»-Ausdruck.

Die in Bayern lebenden Juden sehen die unkommentierten Spott-Skulpturen nicht gerne. «Ich wünsche mir, dass die Reliefs mit Hinweistafeln versehen werden», sagt der Präsident des Landesverbands der israelitischen Kultusgemeinden, Josef Schuster. Er erwarte nicht unbedingt das Wort Entschuldigung, aber eine «eindeutige Distanzierung vom Inhalt».

Nicht einmal dazu war die Regensburger Diözese zunächst bereit. Nach den öffentlichen Forderungen des Münchner Künstler-Duos hieß es, das Bistum habe die Steinplastik am Dom nicht zu verantworten. Eine Tafel mit Erläuterungen wäre «kontraproduktiv». Mittlerweile sind Bistum, Landesverband und Kultusministerium, das für den staatlichen Dom die Oberaufsicht hat, «im Gespräch.» An der Cadolzburg bei Fürth, wo die «Judensau» direkt am Eingangstor prangt, hat der Künstler-Aufstand Früchte getragen. Das dafür zuständige Finanzministerium hat mittlerweile einen Erklärungstext anbringen lassen. Proteste am Kölner Dom, der Nürnberger Sebalduskirche und der Klosterkirche in Heilsbronn hätten dagegen nichts bewirkt. Weitere unkommentierte «Judensau»-Skulpturen gibt es zum Beispiel in Bad Wimpfen, Bayreuth, Erfurt oder Eberswalde.

Öffentliche Aktionen haben Kastner und Wangerin demnächst an Kirchen in Magdeburg und Zerbst bei Leipzig geplant. Statt mit Pinsel und Farbe wollen Kastner und Wangerin in Zukunft auch mit juristischen Mitteln weiter kämpfen. «Die Skulpturen erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung», sagt Kastner. Die Künstler wollen gegen Verantwortliche der staatlichen Stellen, der katholischen und die evangelischen Kirche Strafanzeige erstatten. Die Ermittlungen gegen die Künstler selbst auf Grund der versuchten Protest-Malereien in Regensburg verliefen im Sande. «Die Farbe war ja auch wasserlöslich.»




dpa-Meldung vom 4.9.2004

Künstler kämpfen für Erklärungstafeln an "Judensau"-Reliefs

(Regensburg/dpa) - Am Regensburger Dom befindet sich ein Relief, das eine "Judensau" zeigt. An der schon brüchigen Steinfigur sind zwei Juden zu erkennen, die von einer Sau gesäugt werden. Das Wort "Judensau" wollten zwei Münchner Aktionskünstler eigentlich auf's Pflaster vor dem Dom pinseln, um so auf die antisemitische Skulptur hinzuweisen. "Judensau"- Darstellungen gibt es an mehr als 20 weiteren Kirchen und öffentlichen Gebäuden in Deutschland. In Regensburg hat sich darüber ein Streit entzündet.

Künstler kämpfen für Erklärungstafeln an «Judensau»-Reliefs

Von Silke Droll, dpa

(Regensburg/München/dpa) - In Regensburg kamen sie nur bis zum «J», dann schritt die Polizei ein. Das Wort «Judensau» wollten zwei Münchner Aktionskünstler eigentlich auf das Pflaster vor dem Dom pinseln, um so auf eine antisemitische Skulptur an der Kathedrale aufmerksam zu machen. Seit dem Mittelalter ist dort ein steinernes Schwein zu sehen, an dessen Zitzen Juden saugen. Ähnliche diskriminierende «Judensau»-Darstellungen gibt es an mehr als 20 weiteren Kirchen und öffentlichen Gebäuden in Deutschland.

Eine «antisemitische Schweinerei» ist das, findet Wolfram Kastner.

Er und sein Kollege Günter Wangerin vom Münchner «Institut für Kunst und Forschung» kämpfen seit drei Jahren dafür, dass an den jeweiligen Gebäuden Tafeln mit Erklärungen und Worten des Bedauerns angebracht werden. Doch bis jetzt sei dies nur an drei Orten geschehen. «Ich verstehe nicht, warum sich die Verantwortlichen der Kirchen auch nach Jahrhunderten nicht davon distanzieren», sagt Kastner.

Das verhöhnende Motiv mit dem intimen Miteinander von Mensch und Tier verletze religiöse Gefühle in besonderer Weise. Denn das Schwein ist für Juden nicht koscher. «Bei Judenverfolgungen zwang man Juden immer wieder dazu Schweinefleisch zu essen», erklärt der Theologe Oliver Gußmann, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Das rassistische Motiv zieht sich bereits durch Jahrhunderte. Auch Martin Luther schürte in seinen Predigten mit der «Judensau»- Metaphorik den Hass gegen die Andersgläubigen. So ist auch eine der bekanntesten «Judensau»-Darstellungen an der Stadtkirche von Wittenberg zu sehen.

«Das wirkt alles weiter bis heute», sagt Kastner. «Zwar weiß kaum jemand etwas zur Herkunft, aber das Wort kennt jeder.» Heute benutzen Neonazis den «Judensau»-Ausdruck.

Die in Bayern lebenden Juden sehen die unkommentierten Spott-Skulpturen nicht gerne. «Ich wünsche mir, dass die Reliefs mit Hinweistafeln versehen werden», sagt der Präsident des Landesverbands der israelitischen Kultusgemeinden, Josef Schuster. Er erwarte nicht unbedingt das Wort Entschuldigung, aber eine «eindeutige Distanzierung vom Inhalt».

Nicht einmal dazu war die Regensburger Diözese zunächst bereit. Nach den öffentlichen Forderungen des Münchner Künstler-Duos hieß es, das Bistum habe die Steinplastik am Dom nicht zu verantworten. Eine Tafel mit Erläuterungen wäre «kontraproduktiv». Mittlerweile sind Bistum, Landesverband und Kultusministerium, das für den staatlichen Dom die Oberaufsicht hat, «im Gespräch.» An der Cadolzburg bei Fürth, wo die «Judensau» direkt am Eingangstor prangt, hat der Künstler-Aufstand Früchte getragen. Das dafür zuständige Finanzministerium hat mittlerweile einen Erklärungstext anbringen lassen. Proteste am Kölner Dom, der Nürnberger Sebalduskirche und der Klosterkirche in Heilsbronn hätten dagegen nichts bewirkt. Weitere unkommentierte «Judensau»-Skulpturen gibt es zum Beispiel in Bad Wimpfen, Bayreuth, Erfurt oder Eberswalde.

Öffentliche Aktionen haben Kastner und Wangerin demnächst an Kirchen in Magdeburg und Zerbst bei Leipzig geplant. Statt mit Pinsel und Farbe wollen Kastner und Wangerin in Zukunft auch mit juristischen Mitteln weiter kämpfen. «Die Skulpturen erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung», sagt Kastner. Die Künstler wollen gegen Verantwortliche der staatlichen Stellen, der katholischen und der evangelischen Kirche Strafanzeige erstatten. Die Ermittlungen gegen die Künstler selbst auf Grund der versuchten Protest-Malereien in Regensburg verliefen im Sande. «Die Farbe war ja auch wasserlöslich.»